Ich und die Anderen – Die Spielgruppe

Rollenspiele werden gemeinsam mit anderen Menschen gespielt. Wir brauchen die anderen, um anspielbar zu sein, auf unsere Aktionen zu reagieren, um wiederum auf sie zu reagieren. Man bildet eine Gruppe, die dieses Spiel spielt und alle Teile dieser Gruppe sind verantwortlich für das gelingen und werden des gemeinsamen Spiels.

Mit Session Zero bezeichnet man die erste Phase des Kennenlernens, das Besprechen der Ziele und Wünsche und das Abstimmen der jeweiligen Vorstellungen aller Gruppenmitglieder, um ein möglichst für alle passendes Spielerleben zu ermöglichen.

Der erste Teil dieses Buches dreht sich ganz um diese Phase, die sehr wichtig ist für das kommende Erlebnis. Die Session Zero kann bei kurzen, spontanen Spielen sehr schnell gehen aber gerade bei längeren Vorhaben, die mehr als nur ein paar Stunden gehen sollen und nicht nur spontan Improvisiert werden, sollte man sich für die Session Zero schon mindestens vier Stunden Zeit nehmen und die erarbeiteten Ergebnisse auch gut nachzuarbeiten.

Der Gruppenvertrag

Wir erzählen uns die gemeinsame Geschichte in einer Gruppe von Menschen, die wir vielleicht schon kennen, vielleicht auch nicht. Normalerweise gehen wir automatisch von ein paar Grundannahmen aus, wenn wir mit anderen Menschen in Kontakt treten, oft ist es aber wichtig, sich diese zu vergegenwärtigen oder sich in der Gruppe bewusst auf sie zu einigen.

Wie zum Beispiel, dass der Gegenüber auch freundlich reagiert, wenn man ihm oder ihr freundlich begegnet. Das ist zumindest höflich und Grundlage unseres täglichen Umgangs miteinander. Zu einer dieser üblichen Grundannahmen gehört auch, dass man einem fremden Menschen nicht seine tiefsten Ängste, Wünsche oder Hoffnungen offenbart, wenn man nicht dazu eingeladen wurde oder sich nicht in einem sicheren Raum befindet. Beim gemeinsamen Geschichtenerzählen und Rollenspielen geht es aber genau um solche sichere Räume und die Tatsache, dass gemeinsame Geschichten lebendiger und bedeutsamer werden, gerade wenn wir die Elemente ins Spiel bringen wollen, die uns wichtig sind, für die wir brennen, die wir lieben oder an und unter denen wir leiden.

Dazu ist es wichtig, willentlich einen sicheren Raum zu schaffen, in dem man etwas Besonderes erleben und erschaffen möchte und genau damit sollte jedes „ernsthafte“ Spiel beginnen: mit dem Bau eines sicheren Raumes. Hierbei sind bestimmte Grundannahmen hilfreich gemeinsam zu verinnerlichen. Sie sind ein Vorschlag und können auch je nach Bedarf verändert und angepasst werden, aber es ist auf jeden Fall sollte eine Gruppe sich solche Grundannahmen gemeinsam als eine Art Vertrag miteinander verbindlich festlegen.

Am besten sollten die Grundannahmen als gemeinsamer Vertrag gemeinsam gelesen und rituell bestätigt werden.

Und nun, log geht’s… Trommelwirbel, Fanfaren…

Die Grundannahmen (ein Vorschlag)

„Dies ist unser gemeinsamer Vertrag und unsere Grundannahmen, die wir alle miteinander teilen:

  1. Ich bin in diesen Kreis gekommen, weil ich mit den anderen Mitgliedern dieses Kreises eine gemeinsam erzähle Geschichten erleben möchte.
  2. Ich lasse mich auf mich und die anderen Mitglieder dieser Runde voll ein und kann mir sicher sein, dass es die anderen auch tun.
  3. Ich behandle alle anderen, wie ich selbst behandelt werden möchte und versuche jedem das zu geben, was er oder sie braucht, um selbst auch das Beste geben zu können.
  4. Wir haben alle dieselben Rechte und Pflichten.
  5. Alles was in diesem Kreis offenbart wird, bleibt in diesem Kreis.
  6. Alles was wichtig ist, wird öffentlich gemacht, gesagt oder beschrieben. Alles was nicht öffentlich gemacht wird, ist nicht wichtig und spielt keine Rolle.
  7. Ich unterbreche die Anderen nicht, lasse sie ausreden und höre offen und aufmerksam zu.
  8. Ich sage nur das Wichtige und lasse das Unwichtige weg. Ich drücke mich klar und deutlich aus und fasse mich kurz und prägnant.
  9. Ich hüte und schütze den gemeinsamen Raum der Erzählung.
  10. Ich gebe all meinen Mut, meine Kraft, Kreativität und Phantasie, damit die Wünsche und Träume der Anderen verwirklicht werden können, denn nur so kann ich sicher sein, dass auch meine Träume und Wünsche in der Geschichte Wirklichkeit werden können.“

Die Spielgruppe und die Moderatorenrolle

Bei üblichen Rollenspielen gibt es die Rolle des Spielleiters, der üblicherweise für den Plot, die Umgebung, die Nichtspielercharaktere und alles andere der Geschichte zuständig ist, wohingegen die übrigen SpielerInnen üblicherweise „nur“ ihre Charaktere spielen.

Hier existiert die Rolle der/s Spielleiters/in auch, aber in einer anderen Form.

Als Gruppe von Spielenden sollten alle Mitspieler grundlegend dieselben Rechte und Pflichten haben. (s. Grundannahmen) Allerdings ist es oft hilfreich in der Gruppe eine Rolle zu haben, die eine Metaposition einnimmt. Dies wäre der Moderator oder die Moderatorin. Diese Rolle achtet z.B. auch darauf, dass die einzelnen Punkte des Gruppenvertrages beachtet werden, die gemeinsam erzählte Geschichte zusammenhalten oder bei Konflikten das letzte Wort haben. Spätestens bevor man bei dem Spiel in die erste Szene einsteigt, sollte die Gruppe einen Moderator oder eine Moderatorin der Erzählung bestimmen, der oder die diese Aufgaben übernimmt. Es kann zwar auch Szenen geben, die von anderen Spielern moderiert werden, aber der/die Moderator/in der Erzählung achtet besonders darauf, dass alle SpielerInnen gleichmäßig am Spiel beteiligt sind und auch alle wichtigen Elemente in der Erzählung auftauchen. Ggf. bereitet der Moderator auch besondere Elemente vor oder entwickelt, bevor man die Geschichte tatsächlich spielt, aus den einzelnen Elemente eine kohärente Geschichte oder ein Abenteuer. Auch wenn die Rolle des Moderators sehr wichtig und anspruchsvoll ist und wenn es oft heißt einen eigenen Charakter in der Geschichte nicht vollends zu spielen, weil das Zusammenhalten der Geschichte zu viel Aufmerksamkeit erfordert, ist der Moderator ein genauso gleichwertiges Mitglied der Runde wie alle anderen Spiele und Spielerinnen, die ebenso für den Erfolg und die Entwicklung der Geschichte verantwortlich.

Safety Tools

Mittlerweile haben sich im Rollenspiel und besonders im Feld der Erzählspiele sogenannte safety tools etabliert, die dazu dienen allen eine schöne Spielzeit zu erlauben und nicht dabei Dingen zu begegnen, die sie nicht erleben wollen.

Grenzen und Blenden

Ein Tool kommt aus dem englischen Sprachraum und nennt sich Lines & Veils, dabei bedeuten Lines Grenzen, die es nicht zu überschreiten gilt und die im Spiel nicht vorkommen sollen. Veils sind die Vorhänge und Blenden, die einsetzen, wenn sich eine bestimmte Art von Situation abkündigt, die dann nur angedeutet und ausgeblendet werden soll, ohne sie auszuspielen.

Beispiele wären dafür besondere Formen von Sexdarstellungen und Gewalt (gegen Fraunen und Kinder) oder ähnliches.

Im Spielverlauf lassen sich jederzeit weitere Grenzen und Blenden einführen.

Die Pause-Taste

Die Pause-Taste ist entweder eine Karte, die für alle sicht- und erreichbar auf dem Tisch liegt und bei Bedarf gedrückt werden kann oder ein abgesprochenes Handzeichen, wie das Timeout-Handzeichen, um die aktuelle Situation auf Pause zu stellen und bestimmte wichtige Themen auf der Metaebene zu klären, bevor die Szene fortgesetzt wird.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert